Geändert am: 21.02.2012
Strandgut des Krieges

 

 „Bei euch ist die Welt wie mit Brettern vernagelt“, hänselten uns zuweilen die Talbewohner - deren Tor zur Welt die nahe liegende bayerische Grenze war - , und meinten damit die „Einöd“, unser acht-Häuser-Dörflein, hingebettet an einen eigenartigen grünen Berghang. Die klobigen Rundholzbauten trotzten seit Jahrhunderten im Schutz der bis zum Himmelsbogen ragenden Kalksteinwand dem Lauf der Zeit. Der Krieg hatte seine Krallen auch nach uns ausgestreckt und rief im Laufe der Jahre fünfzehn junge Männer an die Front. Die ersten stiegen mit lachenden Gesichtern und blumengeschmückten Hüten in die Bahn zum Sammelplatz in die Kaserne. Die erste Todesnachricht des Bruders meiner Freundin Hermi versetzte uns in lähmende Angst. Im zweiten Brief des Oberkommandos der Wehrmacht lag das Soldbuch meines Bruders Friedl. „Auf dem Feld der Ehre gefallen“.  Die Eltern waren verzweifelt, zumal Max, ihr zweitgeborener Sohn, bald darauf die Einberufung erhielt. „Dagmar, bitte begleite mich ein Stück“, bat er mich beim Abschied. In einem dunklen Torbogen der Kaserne weinte er an meiner Schulter. Er, der große Sprüche-Klopfer, der Bäume ausriss und Berge versetzte, stammelte: „ich seh' euch nimmer, ich spür das“. Mir fielen keine tröstenden Worte ein. Ich faselte etwas von „Glauben und Vertrauen“ und spürte eine unendliche Ohnmacht. Ein halbes Jahr später lag er in den Schneewüsten Narviks begraben.

Not und Leid schweißten unsere kleine Dorfgemeinschaft zusammen. Wir holten gemeinsam das Heu von den Bergen, bestellten die kargen Kartoffeläcker und schlugen Holz für die langen Wintermonate.

In den Sommermonaten teilte man uns Erntehelfer aus der Kaserne der Kreisstadt zu. Einmal waren es drei junge Rheinländer. Sie halfen uns so gut sie konnten und genossen ihren Ernteeinsatz als Urlaub in den Bergen. Jupp Schaffstein hieß der große blonde Dortmunder, der bei uns wohnte und erwies sich als wahrer Segen für meine schwer gemütskranke Mutter. Oft legte er den Arm um sie, wenn sie weinend vor den Bildern ihrer Söhne stand. „Frau Marianne, hier, meine beiden Brüder stehen auch an der Front“. Er kramte die Bilder zweier junger Männer aus seiner Brieftasche. „Meine Mutter“ - liebevoll löste er das Foto einer schmalen, blonden Frau aus den Seiten seines Tagebuches. (Das rissige Bildchen zeichnete viele Falten in das gütige Gesicht.) „Sie sorgt sich auch um uns und betet für uns“. Es tat mir zutiefst im Herzen weh, dass ich nicht so zu Herzen gehend reden konnte. Ob wohl die harte raue Natur uns so wortkarg gemacht hat?

Als dann die kalten Herbststürme die Blätter von den Bäumen rissen und die letzten Gräser auf dem Hügel vermoderten, starb Mutter. Unter dem Schmiedeeisernen Kreuz, in das die Namen von Max und Friedl eingehämmert waren, fand ihr irdisches Kleid seine letzte Ruh. „Die Seel’ hat Gott zu sich geholt“, sagte unser alter Pfarrer mit zittriger Stimme und machte mit dem Weihwasserwedel drei Kreuze über den schlichten schwarzen Tannensarg.

„Keine Ruhepausen auf unbekannten Straßen“ nannte Jupp Schaffstein seine Feldpostgrüße. Die letzte Post kam aus Stalingrad, hingekritzelt auf einen Fetzen Packpapier. „Liebes Schwesterl“, so nannte er mich immer, „ich bin verwundet, sollte mit dieser Maschine noch ausgeflogen werden, aber der Kamerad neben mir, mit seinem zerschossenen Bein hat Frau und Kind daheim. Ich hab ihm meinen Platz in der Maschine überlassen. Er nimmt für meine Mutter und Dich Grüße mit“.
„Wie schön war’s doch bei euch“!

Als die ersten Bomber ihre Lasten über unserer Landeshauptstadt abwarfen, erinnerten sich unsere Verwandten dort unten an unsere stille Oase auf dem Berg. Sie schleiften Schachteln und Kisten herauf, um so die Schätze übers „Tausendjährige Reich“ zu retten, an das sie längst den Glauben verloren hatten. Ein befreundetes Ehepaar aus München, deren Heim im Bombenhagel unterging, bat uns um Asyl. Betty und Much kümmerten sich aufopfernd um Vater, der stundenlang mit dem kalt gewordenen Pfeiflein zwischen den Zahnlücken auf der Hausbank saß und mit rotgeränderten Augen in die unendliche Weite starrte.

In jenen tagen heiratete Hermi.

„Dagmar, komm doch schnell herüber“, rief mir die junge Frau über die Dorfgasse zu. Ich fand beide in der niedrigen Stube am klobigen Tisch sitzend. Eine wilde Entschlossenheit stand in ihren Augen. „Bernhard geht nicht mehr an die Front“, stieß Hermi rau hervor. „Ich versteck mich auf der Alm, der Krieg dauert nicht mehr lang“, warf er dazwischen. „Hilfst du uns“? „Natürlich“ und so sponnen wir einen Plan. Ich begleitete die Beiden am nächsten Tag zur Bahn. Sämtliche Bewohner unseres Dörfleins winkten uns nach. Mancher wischte sich heimlich über die Augen. Das Gedränge um einen Platz im überfüllten Urlauberzug war groß, Bernhard unterhielt sich noch mit dem Bahnhofsvorstand, der ihm den Stempel in den Urlaubsschein drückte. Gleich anderen Mädchen und Frauen hingen wir an der Plattform des Abteils, um noch eine Weile mit den scheidenden Landsern zu plaudern. Wir winkten dem abfahrenden Zug nach, bis wir noch fast allein am Bahnsteig standen. Danach trotteten wir still bergwärts. „Hat alles geklappt“, flüsterte mir Hermi am nächsten Morgen zu. Sie musste nach einer Woche zur Wehrmachtskommandostelle. „Ihr Mann hat sich noch nicht bei seiner Einheit gemeldet“. Der goldbetresste Oberst stand hinter dem Schreibtisch und musterte sie mit scharfem Blick. „Der Bahnvorstand und eine ganze Menge Leute haben meinen Mann am Bahnhof gesehen“, erwiderte meine Freundin entsetzt. Die Militärpolizei schnüffelte durch unser Dorf. Ich war sozusagen Kronzeuge, hatte ich ihm doch noch die Hand hinaufgereicht. Hermi und ich mussten einen Wisch unterschreiben. „Das ist eine eidesstattliche Erklärung, sie wissen was das bedeutet“, schnarrte uns ein „Hohes Tier“ der Militärpolizei an. Eiskalt setzten wir unsere Namen unter die Todsünde des Meineids. – Und wieder trotteten wir still nach Hause. –

Die deutschen Städte versanken im Bombenhagel, Urlauberzüge flogen in die Luft. „Auf dem Weg zur Front vermisst“ lautete die Nachricht, die Hermi über ihren Mann erhielt. Jeder im Dörflein verstand die junge Frau, die mit ihren Skiern über die Almwiesen wanderte. In Gottes freier Natur würde sie mit der Zeit über den schweren Schlag hinwegkommen.

Immer mehr desertierende Soldaten klopften in den Wintertagen an unsere Türen und wir zeigten ihnen lawinensichere Wege in nachbarliche Seitentäler.

An einem späten Abend kauerte ich noch allein auf der Ofenbank, nachdem ich Vater mit einer Wärmflasche zu Bett gebracht hatte. Betty und Much hatten sich mit einem heißen Ziegelstein in die federn verkrochen. „Zu Ostern gehe ich beichten“ sinnierte ich, -- „ob es für Meineid eine Absolution gab“? Da klopfte es an das vom Schneetreiben fast zugewehte Fenster. „So spät“? Ich schob den schweren Türriegel zurück. Mit einem Schwall kalter Luft, der sich in der Wärme in Nebel auflöste, torkelte ein Mann auf mich zu. Wortlos wies ich ihn in die offene Stubentür. Schwer ließ er sich auf die Ofenbank fallen. „Ich bin“, begann er total erschöpft. „Legen sie Ihre nassen Sachen ab“, fiel ich ihm ins Wort und ging in die Küche. Sein schwerer Parka hing über der Stuhllehne. Ein SS-Mann zuckte es durch meinen Sinn, wo kommt der her? In gierigen Schlucken trank er die heiße Milch und drückte das Butterbrot hinunter, das ich ihm auf den Tisch gestellt hatte. In seinen Augen lag unendliche Müdigkeit. „Legen Sie sich schlafen“. Mit diesen Worten führte ich ihn über die knarrende Stiege zur verwaisten Schlafkammer meiner Brüder. Betty hatte wie jeden Morgen ein Feuer im Ofen, als ich in die Küche kam. In ihrem abgewetzten Morgenrock, die grauen Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht, saß sie auf der Herdbank, die alte Kaffeemühle zwischen  die Knie geklemmt und rieb die sorgfältig abgezählten Kaffeebohnen aus besseren Tagen in München, vermischt mit gebrannter Gerste. „Letzte Nacht ist ein Soldat vorbeigekommen, mach eine Schale Kaffee mehr“. „Wirst noch draufzahlen mit deiner Gutmütigkeit“,  konterte die sonst Gutmütige mürrisch sah sie doch unsere Zukunft als eine Notzeit ohne Ende. Der Fremde kam zu mir in den Stall, lehnte sich an die schwarzen Wand, über die gespenstische Schatten der Petroleumfunzel zuckten, und schaute mir bei der Arbeit zu. „Ich heiße Rudolf Schaffstein“ (mir fiel fast der Milchkübel aus der Hand), meine Truppe geriet in Gefangenschaft.“

„Ich irre schon tagelang im Gebirge herum“ erzählte er und in seinen Augen lag das Flackern eines gehetzten Wildes. Mir wurde heiß und kalt. - Die Namensgleichheit –. Mit schlagartiger Sicherheit wusste ich, dass ich hier mehr tun musste, als einem abgekämpften Landser den Weg in eine zweifelhafte Sicherheit zu weisen. Abrupt fasste ich den Plan, ihn auf die leerstehende Almhütte zu bringen. Ausgerüstet mit festen Bergschuhen und einem Lodenumhang, Speck und Brot im Rucksack – ich nahm meine Brettln über die Schultern –, stapften wir den Hohlweg zum Waldrand hinauf. Gott sei Dank verwischte heftiges Schneetreiben allmählich unsere Spur. Nach etwa zwei stunden mühevollen Hinaufkeuchens umfing uns die unendlich weiße Einsamkeit über der Waldgrenze. Tiefschwarze Winterkälte schlug uns entgegen, als wir die schneeverwehte Hüttentür aufdrückten. Bald hatte ich ein Feuer auf der gemauerten Herdstelle und setzte über den Dreifuß einen Kessel voll Schnee. Die kleine graue Maus schaute mich aus überaus klugen Äuglein verdutzt an, als ich den Küchenkasten aufmachte. Der Winter ist doch noch nicht um, mag sie sich gedacht haben und verschwand in einer Ritze unter der Stalltür. Mein Schützling saß auf der rohgezimmerten Bank, die sich der Balkenwand entlang um die Feuerstelle zog, verfolgte mein Tun mit unruhigen Blicken und rieb sich die blaugefrorenen Hände. Ja, ich spürte eine lauernde , zur Flucht bereiten Gespanntheit von ihm ausgehend. „Passen Sie auf das Feuer auf und bleiben Sie in der Hütte“, sagte ich und stellte ihm einen heißen Tee und Jause auf den klobigen Tisch. „Hier sind Sie sicher“. Ich war schon an der Tür, da kam er plötzlich auf mich zu, ließ schwer seine Hände auf meine Schultern fallen. Ich lächelte in seine ungläubig fragenden Augen, bückte mich nach meinen Skiern. „Morgen komme ich wieder“. Er stand noch immer mit leicht erhobenen Armen unter der Tür, als ich zu Hermi's Hütte hinüber glitt, aus der leichter Rauch aufkräuselte. Kurz informierte ich Bernhard über seinen nunmehrigen Nachbarn. „Morgen komme ich mit Hermi“, verabschiedete ich mich und tauchte den Waldrand hinunter.

Unser Dörflein füllte sich mit Zuflucht suchenden Bekannten aus zerschossenen deutschen Städten. Keiner nahm Notiz von unseren täglichen Skitouren. Rudolf fieberte täglich meinem Kommen entgegen. Er war der Bruder des in Stalingrad Gefallenen. Wir fanden ein unendliches Glück in der Einsamkeit dieser unberührten weißen Welt. Es zog uns mit unwiderstehlicher Gewalt zueinander, als ob wir geahnt hätten, dass uns das Finale des mörderischen Krieges bald in seinen Sog reißen würde. Bernhard hatte Rudolf das Skifahren beigebracht. Während schwere Kampfflieger jenseits der Bergkämme ihre todbringenden Lasten abwarfen, kurvten wir unsere Bahnen ins silbrige Weiß. Zuweilen hallte aus den tiefen Rinnen der Felswände das Echo der näherrückenden Front. Der Sand senkte sich unerbittlich im Stundenglas unserer Zeit. „Erzähl mir von dir“, bat ich ihn. Tiefe Trauer legte sich in seine Augen. Da fragte ich nicht mehr, auch nicht, als er den Kopf in meine Schulter grub und ich seine Tränen spürte.

Als die Sieger durch die Täler zogen, glich unser Weiler einem Heerlager flüchtender Soldaten.

Über die Jöcher brauste der Föhnsturm und wehte den Schnee von den Graten wie weiße Wolken in den tiefblauen Himmel. Plötzlich erfüllte Donnergrollen die Luft. Die Menschen stürzten aus den Häusern und starrten nach oben. Eine Riesenlawine wälzte sich über den Nordhang der Roten Wand zu Tal, füllte das Bachbett turmhoch und schob sich weit an der gegenüber liegenden Bergseite hoch, die alten baumbärtigen Tannen wie Zündhölzer knickend.

Hermi und ich schlichen uns aus der gaffenden Menge und verschwanden mit unseren Brettern im Hochwald. Bernhard saß auf der Bank vor der Hütte. In seinem Gesicht spiegelte sich das blanke Entsetzen. Wo ist Rudolf“? schrie ich. Er deutete auf die Schlucht. „Wir fuhren den Sommerberg hinunter“, hörte ich ihn wie im Traum sagen, „da bog er plötzlich in die Rotwandseite ab.  Er wusste, dass man da nicht fahren durfte. Kehr um, rief ich, er fuhr weiter. Da löste sich ein Schneebrett unter seinen Füßen und riss ihn mit. Ein Knall, die ganze Seite brach ab und mit unvorstellbarer Wucht wälzte sich die immer größer werdende Last in die Tiefe.“ Bernhard und Hermi führten mich in die Hütte. Wir kamen überein, vorerst von dem Toten nichts zu sagen. Beide nahmen mich in den Arm und versprachen mir in tiefster Ergriffenheit, immer zu mir zu halten, als ich stammelte, „ich bekomme ein Kind“.

Das Leben ging weiter. Die Dörfler und Städter kehrten in ihre Heime zurück. Langsam wurde auch mein Zustand sichtbar. Und wie es überall Tratschweiber und spitze Zungen gibt, so auch bei uns. „Dagmar schwanger?, nie etwas gehört, dass sie einen Freund hat. Ist immer so ein stilles Wasser gewesen. Vielleicht war’s gar ein Ami oder Marokkaner. Man wird sehen, wenn der Bankert auf die Welt kommt.“ Dem Vater nahm ich den Wind aus den Segeln, als er mich so von der Seite anschaute. „Ich bin schwanger, der Vater des Kindes lebt nicht mehr“. „Ja, hast ja hier eine Heimat für dich und das Waisl“. Somit war für ihn, der schon so viel verloren hatte, die Sache abgetan. In den späten Septembertagen fand Bernhard, der viel auf der „Lahn“ herumsuchte, den Toten. Seine Dokumente waren in dem dicken Anorak noch gut leserlich. „Warum er wohl damals seine Papiere zum Skifahren mitnahm?“ Im Grab des unbekannten Soldaten unten im Dorf fand er neben anderen, in den letzten Kriegstagen Gefallenen, seine letzte Ruhestatt.  Bernhard und Hermi hoben meinen kleinen blonden Siegfried Ende Jänner aus der Taufe. Klein-Siegfried wurde der Sonnenschein meines alten Vaters. Eine tiefe Freude erfüllte meine Seele, wenn er die kleine Hand in seine alte, sehnige – die aussah, wie die rissigen Balken unseres Hauses – nahm und mit ihm über die Grashügel wanderte. Er lehrte ihn die Stimmen der Vögel, die Namen der Blumen und die Schroffen und Grate. Im Herbst musste der Kleine zur Schule. Davor reiste ich nach Dortmund, dann diese fixe Idee ließ mich nicht mehr los. Meine Freunde nahmen sich dann während meiner Abwesenheit meines Vaters und des Kindes an. Die Dame im Einwohnermeldeamt in Unna war ausnehmend freundlich. So erfuhr ich von den drei Schaffsteinsöhnen. Lothar in Sibirien gestorben, der Josef in Stalingrad gefallen und der älteste Sohn Rudolf musste noch in den letzten Kriegstagen an der österreichischen Grenze ums Leben gekommen sein. Sie wurde sehr gesprächig, als ich ihr erzählte, dass ich aus der Gegend komme. Sie vertraute mir an, dass Rudolf mit einer sehr attraktiven Jüdin verheiratet gewesen sei und er als SS-Offizier in arge Schwierigkeiten kam. Die junge Frau habe sich von ihm getrennt und sei mit dem Kind, - man munkelt, dass es nicht von ihm gewesen sei – mit einem sehr wohlhabenden Juden nach Schweden emigriert. Darauf habe sich Rudolf, der eine gute Position bei der Partei hatte, an die Front gemeldet. Die Mutter sei gleich nach dem Krieg gestorben. Nachdenklich schlenderte ich durch die noch vielfach holprigen Straßen und beobachtete die fleißigen Menschen, die aus den Ziegelbrocken ihrer zerbombten Häuser neue Heime schufen. Mich überkam eine unendliche Achtung vor diesen zu Boden getretenen Menschen, in deren Augen ein fanatisches Feuer glühte und der eiserne Wille, die Wunden des Krieges zu heilen.

Dann stand ich wieder vor dem Grab des unbekannten Soldaten und schaute hinauf zum Himmelsbogen, der sich unendlich blau und weit über die weißschimmernde Kalksteinwand  spannte. Die untergehende Sonne warf lange dunkle Schatten in die Schlucht der Roten Wand. Kleine silberne Wasserrinnsale schossen über senkrechte Felsvorsprünge und vereinigten sich im Tal zu einem glasklar sprudelnden Bach. Über den ganzen großen Lawinenhang war eine Grasnarbe gewachsen, die samtig herunter leuchtete. „Ich werde es nie wissen, lieber Rudolf, ob dein Tod vor gut sechs Jahren ein Unfall war. Oder hattest du den Freitod gesucht?“ Übers Grab hinaus verspreche ich dir, dass ich deinem Jungen Vater und Mutter sein werde, wie hunderttausende Kriegerfrauen. 

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