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Leben und Werk

Skizze eines Lebens und Werks

Meine Bilder drücken das aus, was ich fühle und denke und mein Malstil ist dem und meinem Können adäquat, natürlicherweise, und dazu kommt noch, dass das, was ich bin, das Ergebnis meines menschlichen und kulturellen Erbes ist. Ich kann niemand anders sein als der Brahmane aus Gujerat, geformt vom Land meiner Herkunft, seinem Klima und seiner Kultur, seinem Lebensstil und seiner Religion. Die Kunst ist das Medium des Ausdrucks einer ganzen Palette von Einflüssen und das sollte jeder Betrachter meiner Bilder stets bedenken. Form und Farbe sind sozusagen Transportmittel des Denkens und Fühlens, dass sie in anderen Menschen ein seelisches Echo hervorrufen mögen, wünsche ich so sehr!

Wir Hindus glauben, dass wir in unserem Leben nicht zur Vollendung gekommene Ziele früherer Inkarnationen anstreben müssen und dass uns zunächst unbewusstes Wünschen nur ein Ausdruck dafür ist. Und dass die Tatsache unserer Geburt in einer bestimmten Familie und sozial-kulturellen Umgebung dem Zwecke der Vollendung des Weges dient. Mein Selbstverständnis ist von solchen Gedanken abgeleitet und ich bin mir sicher, dass 1948 den Anstoss brachte, das "Gesetz, unter dem ich angetreten bin" ins Bewusstsein zu rufen. Damals wurde unter der Schirmherrschaft des Nawabs von Palanpur (meiner Heimatstadt) eine Kunstausstellung veranstaltet, bei der Gemälde und Fotografien gezeigt wurden. Mein Bruder Shree Madhubhai Raval, dessen Lehrer unser verehrter Guru Shree Amrut Van war, gewann den ersten Preis und deshalb ging ich in diese Ausstellung. Heraus kam ich mit dem unbezwingbaren Wunsch, etwas zu malen. Ich hatte ein Stück Papier in der Tasche und darauf skizzierte ich, was ich sah und es war wie ein Augenöffner. Und der Beginn vieler Jahre sehr harter Arbeit!

Ich bat Shree Amrut Van mein Lehrer zu werden und alles andere trat dafür zurück. Ich zeichnete morgens, mittags und abends und wenn meine Familie mich für etwas anderes brauchte, so ging ich weg und zu Freunden, wo ich weiter zeichnete. Ich stellte mich deshalb bald danach der Prüfung an einer Schule meines Heimatorts, war der Jüngste und gewann. Da begann ich erst richtig meine Reise ins Land der Kunst und wie es eben bei Reisen ist, es gab Hindernisse auf dem Weg und Halts. Nach der Abschlussprüfung stand ich vor einer sehr schweren Entscheidung, denn die wirtschaftliche Lage meiner Familie war nicht gut und ich musste etwas verdienen. Ich sollte in den Religionsdienst gehen, wie es für Brahmanen nahe liegt. Aber das wollte und konnte ich nicht und ich hatte eine schwere Zeit, indem ich überall herumrannte, um eine Anstellung als irgend etwas zu finden. Damals schrieb Shree Trigunatit Pancholi, ein ehemals bekannter Künstler, meinem Bruder, er solle sich als Zeichenlehrer an der C.N. Vidhyalala-Schule in Ahmedabad bewerben und damit das Leben der Familie sicherstellen. Ich fasste die Idee, es selbst zu versuchen, mein Bruder stimmte zu, ich bereitete mich vor und der Zeichenlehrer meiner Schule sagte mir, dass das Examen nicht leicht sei und ich wohl kaum durchkommen würde. Aber ich bewarb mich und wurde eingeladen, nach Ahmedabad zu kommen und mich prüfen zu lassen. Ich war damals sehr sportlich, spielte Fussball und rang, deshalb war ich stark und traute mir zu, schwere körperliche Arbeit zu tun. Ich bekam Arbeit als Anstreicher von Kilometersteinen an den Strassen von Palanpur nach Balarama und von Palanpur nach Deesa. Jeden Tag fuhr ich mit dem Fahrrad und Farbkübeln los und malte die Kilometersteine an, damit verdiente ich 300 Rupies und ich reiste nach Ahmedabad, lebte dort und trat in die Schule ein. Ich zeichnete und malte den ganzen Tag, Shree Rasikbhai Parikh inspirierte mich ungeheuer und durch ihn kam ich auch in Kontakt zu bekannten und erfolgreichen Künstlern. Ich arbeitete auch als Bildhauer und es gelang mir, die schwierige Prüfung als einziger zu bestehen und weiterzumachen bis ich den Grad eines "Art Master" erreichte. Die vielen Schwierigkeiten meines noch jungen Lebens hatten mich hart gemacht und ich fürchtete keine Prüfung, wie andere Studenten, ich fuhr auch nach Bombay und kam überall erfolgreich durch. Ich war nie mit dem zufrieden, was ich machte und wollte immer weiterkommen. Deshalb entschloss ich mich auch, nicht in meinen Heimatort Palanpur zurückzukehren, sondern als Zeichenlehrer an der Kapadia High School in Ahmedabad zu bleiben. Damals verdiente ich 116 Rupies im Monat und schickte davon 50 Rupies aPrem beim Malenn meinen Vater.

 

Ich musste natürlich dazuverdienen, malte Bühnendekorationen und gestaltete den Saalschmuck bei Hochzeiten. Damals begann ich auch, Möbel zu entwerfen und mich für Innenarchitektur zu interessieren. 1958 brachte die Schlussprüfung und dafür musste ich einen Monat in Bombay bleiben, um dazu zu verdienen malte ich nachts wieder Bühnenbilder und zwar kniend auf den Riesenleinwänden. Lang war der Weg ins Quartier und wenn ich endlich ankam, konnte ich vor Schmerzen in den Knien nicht schlafen und hockte nur an die Wand gelehnt da. Als ich dann mein schwerverdientes Geld holen wollte, hieß es, es sei nicht genug eingenommen worden und ich bekäme nichts! Die ganze Schufterei war umsonst gewesen. Aber all das machte mich nur noch stärker und den Wunsch, als Maler weiterzukommen, intensiver. Ich bestand die Schlussprüfung und stand nun vor der Frage, was ich tun sollte.

Zunächst einmal versuchte ich mich als Kopist alter Meister und arbeitete daran, ihre Spiritualität und den Geist der "Vedas" und des "Yoga" zu verstehen, aus dem sie malten. Ich versenkte mich in den realistischen Stil von Shree Amrut Van ebenso wie in die moderne Malweise von Shree Chhaganlal Javad und 1961 bildeten mehrere Künstler eine "Vereinigung progressiver Maler" und stellten erstmals aus. Ich hatte ein sehr farbiges Bild gemalt, das meinen harten Kampf ausdrücken sollte, es fand Beachtung, wurde verkauft und es folgten andere Ausstellungen, eine in der Kunstgalerie des Taj-Mahal-Hotels in Bombay. Air India kaufte ein Bild und ermutigte mich so, dass ich andere Ausstellungen, oft nur Zwei-Mann-Shows, organisierte. Als ich wieder einmal im Taj in Bombay meine Bilder zeigte, ging ich draussen vorbei und erinnerte mich, wie ich seinerzeit hier herumschlich. Und jetzt war ich drinnen!

Mein Freund, der mit mir ausstellen sollte, zog plötzlich seine Bilder zurück und da machte ich einfach eine "Ein-Mann-Show", die erste von vielen, die folgen sollten.

Als ich 1976 wieder einmal im Taj Hotel in Bombay ausstellte, kam ein Deutscher und kaufte eines meiner Bilder! Er hatte sich seine Wartezeit vertrieben und war dabei in meine Ausstellung geraten. Sein Englisch war nicht besser als meines und das tat mir wohl. Ein paar Monate später bekam ich von ihm 20 Dollar geschickt mit der Bitte, Farbdias meiner Bilder anzufertigen und nach Deutschland zu senden. Er bestellt nach diesen Dias 11 Bilder! Ich fragte ihn, ob ich denn nicht einmal in Deutschland ausstellen könnte. Nur vier Wochen später war alles organisiert, Siegfried Gattinger lud mich ein, bezahlte meinen Flug und den Transport der Bilder. Ich lebte in seiner Familie und da ich ein Vegetarier bin, stellte die ganze Familie meinetwegen ihre Ernährungsweise um! Siegfried Gattinger zeigte sich als der beste Freund der Welt, stattete mich mit Geld aus, war immer zu meinen Diensten und ich verkaufte alle meine Bilder. 1979 kam ich noch einmal zu zwei weiteren erfolgreichen Ausstellungen.

Zwischen den beiden Reisen nach Deutschland war ich 1975 in den USA, denn 1974 hatte eine Amerikanerin eines meiner Bilder gekauft und mit ihrer Hilfe und der Unterstützung von Freunden konnte ich die USA besuchen und dort ausstellen. Ich schaute mir auch Land und Leute an und erlebte einen scharfen Gegensatz zu Deutschland. In den USA war alles aufs Geschäft ausgerichtet, je lauter getrommelt wurde, desto mehr schauten die Leute her, die Qualität meiner Arbeit wurde gar nicht erkannt. Aber ich bereicherte meine Erfahrung sehr und tat einen tiefen Blick in die Kunstwelt .

Meine Erfahrungen mit den Deutschen waren ganz gegensätzlich. Sie redeten freundlich mit mir, waren kultiviert, verstanden und mochten mich. Ich fand eine grosse kulturelle Ähnlichkeit zwischen und Indern und den Deutschen. Während der englischen Herrschaft über Indien war uns absichtlich ein schlimmes und dunkles Bild von Deutschland und den Deutschen gezeichnet worden. Als ich sie näher kennen lernte, verschwand das alles und machte einem gänzlich anderen Eindruck Platz. Während meiner Deutschlandreisen war ich in Grossstädten wie Wien, Frankfurt und München. Ich besuchte viele Galerien und Museen und hatte bezaubernde Begegnungen mit der Welt der alten Meister. Ich fragte den Journalisten VoIker Stutzer: " Sie haben in Ihren Artikeln und auch im Gespräch mit mir meine Bilder sehr gelobt und geschätzt. Was gefällt Ihnen daran besonders?". Er sagte etwas Bemerkenswertes: "Unsere Maler bevorzugen das Schreckliche. Sie malen das Entsetzen, das sie fühlen beim Betrachten der Welt um sich herum. Wir können das Gute in ihren Bildern nicht finden, die besseren Aspekte des Lebens, die es doch auch gibt. In Ihren Bildern erfreut uns das Licht und die Farbe". Das hat den Künstler in mir sehr befriedigt.

Kunst ist für mich ein Versuch, Gott näher zu kommen. Man hat mich manchmal gefragt, ob ich Yoga praktiziere. Aber ich habe gesagt, ich übe Yoga nicht aus, das Malen ist mein Yoga!

Viele Jahre bin ich nun Maler und als ich meine 50. Ausstellung gestaltete, schaute ich sehr intensiv zurück. Ich habe wohl an die 1200 Bilder gemalt, ich habe mich mit allem und jedem herumgeschlagen und sicher tiefe Einblicke in Leben und Kunst getan. Ich wollte nicht mein Leben darstellen, sondern nur erzählen, wie ich zur Kunst gekommen bin. Sie wurde mein Partner fürs Leben und wird es bleiben. Wir befinden uns in perfekter Harmonie. Ich habe in all den Jahren den Schwung nicht verloren, mit dem ich meine aller erste Ausstellung klopfenden Herzens arrangierte!

 

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